Klettertour: Auf die Sonnenspitze

Sonnenspitze, Gipfelkreuz, Ausblick

Das Gipfelkreuz der Sonnenspitze.

Vier Uhr in der Früh an einem Samstag. Das Klingeln des Weckers zerreißt die Stille. Ich falle aus dem Bett. Rucksack schultern, Wanderschuhe anziehen, ins Auto setzen. Zusammen mit Tobi, meinem besten Kumpel, fahre ich heute nach Österreich. Wir machen uns auf den Weg, um den Gipfel der Ehrwalder Sonnenspitze zu besteigen. Der Tiroler Berg ist über 2400 Meter hoch und die Wandertour ist anspruchsvoll. Aber grundsätzlich hatte ich mir keine Sorgen gemacht, weil ich mittlerweile schon auf einigen Gipfeln stand. Nur der erste Teil der Tour hat mir im Vorfeld etwas Bauchschmerzen bereitet: der Seebenerklettersteig gleich zu Beginn. Vergangenes Jahr habe ich mit Tobi zusammen die Zugspitze bestiegen. Dort gibt es auch einen Klettersteig mit der Schwierigkeit A-B – kein Problem. Insgesamt geht die Skala bis F, dass heißt: extrem schwer, mit Überhang. Als ich Tobi im Auto darauf anspreche, sagt er: „Der Seebenerklettersteig der Sonnenspitze hat C-D. Das wird kein Kaffeekränzchen, aber wir packen das schon.“ Dazu muss man sagen, dass Tobi schon etwas mehr Erfahrung mit Klettersteigen hat. Daher ist er entspannter. Ich hingegen habe jetzt schon schwitzige Hände.

Der Seebener Klettersteig

Nach anderthalb Stunden Fahrtzeit stellen wir das Auto auf dem Parkplatz der Ehrwalder Almbahn ab. Anfangs ist alles noch total entspannt. Wir wandern eine Stunde durch ein idyllisches Wäldchen an einem kleinen Bach entlang. Währenddessen plappert Tobi seinen üblichen Quatsch vor sich hin. Wir lachen, haben es lustig. Dann sehen wir ein Hinweisschild für den Seebenerklettersteig. Darauf steht: SCHWIERIG. Mit viel rot und vielen Ausrufezeichen. Teilweise hat der Steig sogar die Schwierigkeit D-E, ist darauf zu lesen. Leichte Panik steigt in mir auf. Tobi ist ungewöhnlich ruhig geworden. Aber ich meißele mir ein Lächeln ins Gesicht und sage selbstbewusst: „Auf gehts!“

Kurz darauf sind wir am Fuß des Steigs. Gleich der erste Teil hat die Schwierigkeit D-E. Als ich die steile Felswand hochschaue, schlägt mir das Herz bis zum Hals. Senkrecht schlängelt sich das Sicherungsseil die nackte Felswand empor. Ich lasse Tobi den Vortritt. Dann klinke ich meine Karabiner in das Drahtseil und setze meinen Fuß auf einen kleinen Felsvorsprung. Es geht los. Nach einigen Metern schießt mir der Gedanke durch den Kopf, ob ich mich hier nicht etwas übernommen habe. Wenige Zentimeter vor meiner Nase ist der nackte Fels, unter meinen Füßen klafft das Nichts. Ein Abstieg ist aber nicht möglich, weil ich gar nicht sehe, wo meine Füße Halt finden könnten. „Alles klar bei dir?“, fragt mich Tobi, dem mein wahrscheinlich blasses Gesicht aufgefallen ist. „Hast du weiche Knie? Dann sollten wir lieber versuchen wieder abzusteigen.“ Ich verneine, während mir doch tatsächlich die Knie zittern, und klettere weiter.

Nach dem D-E-Stück wird es etwas leichter. Mittlerweile fühle ich mich auch sicherer und es geht gut voran. Meine Hände sind zwar blutig, weil das Drahtseil teilweise die Haut abgescheuert hat, aber es macht Spaß. Zum Schluss kommt nochmal ein D-E-Abschnitt. Ich bin schweißnass. Die Hände rutschen am Drahtseil, aber mich hat der Ehrgeiz gepackt. Nach einer Stunde und 300 Höhenmeter haben wir den Steig geschafft. Aber wir haben immer noch 1200 Höhenmeter bis zum Gipfel vor uns. Nach einer kleinen Pause geht es weiter.

Auf dem Gipfel der Sonnenspitze

Die restliche Tour ist einfach nur wunderschön. Wir laufen am türkisblauen Seebensee vorbei und machen Rast bei der Coburger Hütte mit Blick auf den Drachensee. Danach geht es den Berg hinauf.

Nach einem Abschnitt über loses Geröll müssen wir einiges klettern. Aber nicht im Klettersteig, sondern direkt im Fels. Manche Stellen sind nochmal etwas schwierig. Hinzu kommt, dass man sich nicht sichern kann. Aber nach insgesamt vier Stunden Aufstieg stehen wir auf dem Gipfel der Ehrwalder Sonnenspitze. Es hat sich gelohnt.

Grundsätzlich kann ich die Tour absolut empfehlen. Tolle Landschaft, schöne Ausblicke, sehr abwechslungsreich. Aber man sollte Klettersteigerfahrung haben (mir hätte mehr Übung nicht geschadet) und generell über eine gute Kondition verfügen – die Tour ist 18 Kilometer lang. Absolute Trittsicherheit ist ein Muss. An manchen Stellen sind die Wege sehr schmal und auf beiden Seiten geht es senkrecht runter. Wer kein eigenes Klettersteigset hat, kann sich beim DAV eines ausleihen. Als Nichtmitglied kostet es am Tag 14 Euro. Mitglieder zahlen deutlich weniger.

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