Tandemsprung aus 4000 Metern
Plötzlich rase ich mit 230 Stundenkilometern dem Erdboden entgegen. Kurz flammt nackte Panik in mir auf. Springe ich gerade tatsächlich in einer Höhe von 4000 Metern aus einem Flugzeug? Wird sich der Fallschirm meines Tandemmasters öffnen? Aber ein Cocktail aus Glückshormonen flutet mein Gehirn und spült die Panik weg. Ich schreie.

Gib mir die Faust! Der Coolness-Faktor in 4000 Metern stimmt 🙂
Tandemsprung in Leutkirch
Sechs Stunden früher am vergangenen Samstag. Neun Uhr morgens. Mit einem mulmigen Gefühl schmiere ich mir mein Nutella-Brot in der Küche. Plötzlich steht Annette, meine Freundin vor mir, strahlt mich an und sagt: „Na, wie geht’s dir? Freust du dich auf den Tandemsprung?“ Ich nicke tapfer, aber sie sieht mir wohl an, dass ich etwas nervös bin. „Keine Sorge, wird schon alles gut gehen. Aber wenn du auf dem Boden aufklatschen solltest, dann bekomme ich die Playstation, ja?“ Spricht es und stapft lachend ins Bad. Aufmunterung war schon immer eine große Stärke von ihr. Übrigens: Sie hat mir den Tandemsprung im Januar zum Geburtstag geschenkt. Ich rufe ihr ins Bad hinterher, ob sie mich so loswerden möchte. Als Antwort bekomme ich nur ein listiges Kichern zu hören.
Nachdem ich mit mangelndem Appetit das Nutella-Brot runtergewürgt und mir von Annette noch ein paar blöde Sprüche angehört habe, sitzen wir im Auto und möchten nach Leutkirch aufbrechen. Ich drücke den Start-Knopf des Autos aber der Motor macht keinen Mucks. Ein kurzer Blick auf den Lichtschalter genügt um zu sehen, dass das Licht die ganze Nacht an war. Die Batterie ist leer. Versucht mir das Universum so mitzuteilen, dass ich lieber daheim bleiben sollte? Aber die Blöße kann ich mir nicht geben. Mein Kumpel Tobi springt heute auch. Also rufe ich ihn an, ob er uns mitnehmen kann und zehn Minuten später fahren wir gemeinsam nach Leutkirch zu den Skydive Nuggets.
Die Einweisung
Die Skydive Nuggets betreiben in Leutkirch auf dem Flugplatz Unterzeil das größte Fallschirmsportzentrum Süddeutschlands. Dort angekommen, bekommen Tobi und ich noch eine Einweisung. Die einzelnen Schritte sind nicht sonderlich kompliziert. Kurz vor dem Sprung sitzt man an der Kante des Ausstiegs. Kopf zurücklehnen, Hände an den Körper und die Beine nach hinten beugen. Nach der Einweisung ziehen wir unsere Anzüge für den Sprung an. Das Team der Skydive Nuggets ist sehr nett und betreut alle Springer vorbildlich.

Kurz vor dem Sprung lerne ich meinen Tandemmaster kennen: Raul.
Dann ist es soweit. Zusammen mit Tobi und einigen weiteren Tandemspringern laufe ich über das Rollfeld. Mit knatterndem Rotor wartet unser Flugzeug auf uns. Mein Puls klettert langsam nach oben. Noch kann ich mir nicht vorstellen, wie ich mich aus dem Flugzeug stürze. Als ich noch meinen Gedanken hinterherhänge überrascht mich Raul von der Seite. Er ist mein Tandemmaster für heute. „Hey, are you Alex?“, fragt er. Ich nicke zur Bestätigung und er klopft mir auf die Schulter. „Today your life depends on me. You will fly with more than 230 kph. Enjoy!“, sagt er und wir gehen gemeinsam zum Flugzeug.
Der Tandemsprung: Eine Minute freier Fall
Raul und ich werden als erstes springen, also sitze ich direkt neben dem Ausgang. Es dauert nicht lange und wir sind auf 2000 Metern. Es ist etwas bewölkt, aber die Sicht ist trotzdem atemberaubend. Als der Pilot eine enge Kurve fliegt, versuche ich mich aus Reflex irgendwo festzuhalten. Raul, der direkt hinter mir sitzt, bemerkt es und nimmt meine Hand von der Stange. „Don’t get used to it“, sagt er und lacht. Kurz darauf haben wir unsere Zielhöhe von 4000 Metern erreicht. Die Luke neben mir öffnet sich und Raul rutscht mit mir an die Kante. Irgendwie realisiere ich die Situation nicht. Alles erscheint unwirklich.

Vor dem Sprung schicke ich noch ein Stoßgebet zum Himmel.
Die Schritte von der Einweisung habe ich vergessen aber Raul sorgt dafür, dass ich die richtige Position einnehme. Ich bin ihm völlig ausgeliefert, schießt es mir durch den Kopf. Keinerlei Kontrolle. Was eigentlich ein beängstigender Gedanke sein sollte, erscheint mir in diesem Moment tröstend. Ich schließe die Augen und lasse mich einfach fallen. Sprichwörtlich. Raul gibt uns einen kleinen Schubs und wir fallen aus dem Flugzeug.

Die ersten Sekunden des Tandempsrungs fühlen sich am krassesten an. Man realisiert kaum, was gerade passiert.
Die ersten Sekunden verlaufen wie in Zeitlupe und ich habe das Gefühl schwerelos zu sein. Dann rasen wir in Richtung Boden. Eine Minute freier Fall mit 230 Stundenkilometern. Der Wind schlägt mir so stark ins Gesicht, dass mir das Atmen schwer fällt. Aber es ist geil. Ein Cocktail von Glückshormonen flutet mein Gehirn. Dann geht ein Ruck durch meinen Körper, weil Raul den Fallschirm geöffnet hat. Er dreht enge Pirouetten und wir zwirbeln steil nach unten. G-Kräfte drücken mir das Blut in die Beine.
Ein paar Minuten später landen wir auf einer großen Wiese. Raul schnallt mich ab und wir schlagen ein. In meinem Gesicht hat sich ein breites Grinsen festgesetzt. Ich fühle mich noch total high als ich zu Annette laufe, die am Rand der Wiese auf mich wartet. Währenddessen segelt Tobi an mir vorbei und landet sicher. „Wie es aussieht, musst du die Playstation weiterhin mit mir teilen“, sage ich und umarme sie.
Der Tandemsprung war eine unglaubliche Erfahrung für mich und ich kann es nur jedem empfehlen, der einen unvergesslichen Adrenalin-Kick erleben möchte. Der 4000 Meter-Sprung bei Skydive Nuggets kostet mit Gutschein 198€. Wer es noch extremer will, der kann sich für 399€ aus 6000 Metern stürzen. Für einen Aufpreis lassen sich noch Foto- und Videoaufnahmen dazu buchen, die man kurz nach dem Sprung direkt erhält. Bringt genug Zeit mit. Drei Stunden solltet Ihr schon einplanen. Für Essen und Trinken ist vor Ort gesorgt.