Im Südsudan: „Es geht ums Überleben“

Südsudan, Bürgerkrieg, Comboni

Nachdem Comboni-Missionar Hans Eigner und seine Weggefährten eine Autopanne hatten, mussten sie sich während der Regenzeit zu Fuß durch den Busch schlagen. Foto: Eigner

2011 hat der Südsudan seine Unabhängigkeit vom Sudan erklärt. Zwei Jahre später ist ein Bürgerkrieg ausgebrochen und heute tobt dort ein blutiger Konflikt. Es hat mit Kämpfen zwischen zwei Stämmen begonnen: den Dinka und den Nuer. Aber mittlerweile sind fast alle der 64 Stämme des Landes in den Konflikt verwickelt. Wie so oft geht es um Geld, Macht und Ressourcen. Außerdem herrscht noch eine schlimme Hungerkrise in dem Land. Inmitten von all diesem Chaos aus Krieg und Gewalt hat Comboni-Missionar Hans Eigner in der Hauptstadt Juba ein Friedenszentrum gebaut. Der Comboni-Orden engagiert sich weltweit mit verschiedenen Projekten, um Menschen in Notlagen zu helfen. Im Interview mit Grenzen-Überschreiter spricht der studierte Bauingenieur über seine Motivation, das Land und die Gefahren, die er erlebt hat.

Grenzen-Überschreiter: Herr Eigner, was verschlägt einen studierten Bauingenieur als Comboni-Missionar in den krisengeschüttelten Südsudan?

Eigner: Mit dem Comboni-Orden kam ich das erste Mal in Kontakt, als ich ein Internat in der Oberpfalz besucht habe. Ich bin damals dorthin gegangen, weil ich ein Gymnasium besuchen wollte. Das ging zur der Zeit nur auf einem Internat. Viele Missionare, die aus Afrika zurückgekommen sind,  haben im Internat Geschichten über das Land erzählt. Das hat meine Faszination für Afrika geweckt. Außerdem waren die 70er und 80er Jahre eine Zeit, in der man die Welt verändern und mitgestalten wollte. Schließlich habe ich mich gezielt für ein Studium des Bauingenieurswesens entschieden, um in Afrika helfen zu können.

 

Der Konflikt im Südsudan

Die meiste Zeit haben Sie in Kenia verbracht, aber die vergangenen drei Jahre waren Sie im Südsudan. Wieso herrscht dort so eine Gewalt?

Krieg und Gewalt gab es dort schon immer. Durch die Polygamie herrscht ein Rindermangel, deswegen bekriegen sich die Stämme schon seit Jahrhunderten.

Südsudan, Bürgerkrieg, Comboni

Die Soldaten der Oppositionsarmee führen ihre Waffen vor. Foto: Eigner

Was genau meinen Sie damit?

Ein Mann braucht 40-50 Rinder, um eine Frau heiraten zu können und er will meistens mehrere Frauen. Sie müssen die Tiere der Familie der Braut als Mitgift schenken. Allerdings gibt es nicht genügend Rinder, sodass die Männer um sie kämpfen. Wirklicher Bürgerkrieg herrscht offiziell seit Dezember 2013. Damals sind Sicherheitskräfte der Regierung in der Hauptstadt Juba von Haustür zu Haustür gegangen und haben wahllos Nuer ermordet. Damals bestand die Armee zu 70 Prozent diesem Volksstamm. Weil sie Rache wollten, sind sie in die Opposition gewechselt. Kampf um Siedlungsgebiete und Wassermangel heizen die Gewalt weiter an. Es geht ums Überleben.

 

Das Good Shepherd Peace Center

Dieser Gewalt hat Comboni etwas entgegengesetzt. In den vergangenen zwei Jahren haben Sie das Good Shepherd Peace Center in Juba gebaut. Was ist das für eine Einrichtung?

Es ist ein Friedenszentrum. 140 Personen finden darin Platz und alle Orden, die im Land tätig sind, können es nutzen. Ende vergangenen Jahres haben wir es eröffnet. Manche Einheimischen mussten mit ansehen, wie ihre Familien ermordet wurden, wodurch sie schwere Traumata davongetragen haben. Andere waren lange Zeit auf der Flucht. Im Friedenszentrum helfen wir ihnen, diese schlimmen Erlebnisse zu verarbeiten. Außerdem sollen dort Feindschaften unter den Stämmen abgebaut werden. Die Menschen müssen lernen, vergeben zu können. Um ihrer selbst willen. Ansonsten gehen sie daran kaputt.

Was waren die Herausforderungen beim Bau des Zentrums?

Die Materialbeschaffung. Es gibt kein Zement, keinen Stahl oder Blech. Alles muss erst eingeführt werden. Dafür braucht man natürlich Geld. Aber oft haben wir gar keines von der Bank bekommen, weil die Politiker des Landes sie ausrauben. Die Koordinierung der Arbeiten war auch eine große Herausforderung.

Welche Rolle spielt der Glaube bei Ihrer Arbeit?

Der christliche Glaube fördert die Versöhnungsfähigkeit der Menschen. Er wirkt deeskalierend. Es ist ein Glaube, den man weitergeben kann. Aber immer auf der Ebene des Angebotes. Wir zwingen niemanden den Glauben auf. In erster Linie möchten wir den Menschen dort einfach helfen. Das ist zwar manchmal gefährlich, aber die Orden sind normalerweise kein Ziel von Angriffen.

Südsudan, Bürgerkrieg, Comboni

Pater Gregor Schmidt besucht seine Gemeinde. Er ist ein guter Freund von Hans Eigner. Der Pater wirkt in der Region Unity. Dort sind die Menschen vor Krieg und Chaos in die Sumpfgebiete des Nils geflohen. Foto: Schmidt


Haben Sie gefährliche Situationen im Südsudan erlebt?

Ja. Im Juli vergangenen Jahres ist die Situation eskaliert. Es gab viele Tote unter den Soldaten, deswegen hat Uganda alle seine Geschäftsleute und Händler zurückgeholt. Einige meiner Bauarbeiter kamen aus Uganda. Ich habe 13 in meinem Auto mitgenommen und wir sind zusammen mit einem Konvoi an die Grenze zu Uganda geflohen. Wir waren neun Stunden unterwegs. An der Grenze waren die Soldaten sehr verärgert und teilweise angetrunken. Dank eines jungen Soldaten, der besonnen reagiert und das Kommando hatte, konnten wir passieren. Ohne ihn wäre das Ganze vielleicht anders ausgegangen. Ein andermal gab es Gefechte in der Nähe des Friedenszentrums. Wir haben uns auf den Boden geworfen, weil Kugeln geflogen sind.

Während Ihrer Arbeit haben Sie viel Leid und Grausamkeit gesehen. Was gibt Ihnen Hoffnung?

Die Überzeugung, dass unser Leben bei Gott in guten Händen ist. Das teilt man aber nicht durch fromme Worte mit, sondern durch Taten. Die Menschen in Afrika brauchen Hilfe. Wir bewegen uns auf Straßen, die wir nicht gebaut haben. Wir leben in Häusern, für die wir nichts getan haben. In Afrika schinden sich die Menschen tagsüber ab. Über Nacht verschwindet das Erschaffene durch Krieg und Chaos. Am nächsten Morgen fangen sie wieder von vorne an.


Klickt hier, wenn Ihr mehr über den Comboni-Orden erfahren möchtet.

Auf welt.de findet Ihr einen guten Bericht zu den Hintergründen des Konflikts.

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